Wege aus der Krise

Themenabend der VR-Bank Rottal-Inn eG und Raiffeisenbank Arnstorf eG mit Kriminalpsychologe Dr. Thomas Müller

(von links) Bürgermeister Wolfgang Beißmann, Landrat Michael Fahmüller, MdB Max Straubinger, Referent Dr. Thomas Müller, VR-Bank Vorstandssprecher Direktor Albert Griebl, Dr. Wilfried Prex (Vorstandsmitglied Raiffeisenbank Arnstorf eG), Direktor Christian Forstner (VR-Bank Rottal-Inn eG), Direktor Stefan Sendlinger (VR-Bank Rottal-Inn eG)

Pfarrkirchen. Was braucht es, um Krisen zu bewältigen? Um diese Frage ging es beim Vortrag des international anerkannten Kriminalpsychologen Dr. Thomas Müller (55) beim diesjährigen Themenabend der VR-Bank Rottal-Inn und der Raiffeisenbank Arnstorf. Unter dem Titel „Krisensituationen und deren psychologische Gesetze“ referierte der Analytiker aus Tirol vor rund 200 Gästen in der Stadthalle eineinviertel Stunden lang informativ sowie teils temperamentvoll über den Stand wissenschaftlicher Erkenntnis.

Während Müller beruflich mit Mord, Totschlag und anderen Katastrophen zu tun hat, drehte es sich bei seinem Referat vor allem um tagtägliche menschliche Krisen – und wie man sie meistert. Müller: „Wir haben es verlernt, mit schwierigen Situationen umzugehen.“ Das sei deshalb schade, weil man durch bewältigte Krisen weise werde.

Warum zerbrechen Menschen an Krisen?

So lautete die zentrale Frage des Referenten: Warum zerbrechen manche Menschen an Krisen und andere nicht? In seiner Antwort nennt Müller vier Säulen, welche die nötige Widerstandskraft tragen, von Psychologen Resilienz genannt, um Krisen zu überwinden. Erstens gehöre dazu die Bereitschaft sich weiterzuentwickeln. Zweitens sei ein Perspektivenwechsel angesagt, also die Fähigkeit, die Welt in den Augen des anderen zu sehen. Drittens brauche es die Kenntnis über das eigene Selbstwertgefühl, welches laut Müller aus der Balance zwischen beruflicher Tätigkeit, Privatleben und einer bewussten Beziehung des einzelnen zu sich selbst resultiert. Viertens helfe eine offene, faire, persönliche Form der Kommunikation dabei, sich als psychisch widerstandsfähig zu erweisen.

Müller versäumte es nicht, auf missglückte Reaktionen auf Krisen hinzuweisen, welche sich ihm zufolge in Neurosen, Suchtverhalten oder dem Narzissmus äußern. Zugleich führte er vor Augen, dass derjenige mutig sei, der Ängste zähme. Grundsätzlich seien diese nämlich lebensnotwendig als Hilfe gegen Übermut. „Aber wenn uns die Angst lähmt, müssen wir etwas dagegen tun“, gab Müller zu bedenken.

Bei Entscheidungen Emotionen ausblenden

Zurück zur Ausgangslage: Das Hier und Heute sieht der Referent als „Zeit der Widersprüche“. Die grenzenlose Freiheit stehe immer mehr Süchten gegenüber, welche den Menschen einschränken. Das grenzenlose Entertainment wiederum stehe im schroffen Gegensatz zur steigenden Zahl von Depressionen. In diesem Zusammenhang warnte der Fallanalytiker – auf Dieter Bohlen gemünzt – davor, „unseren Kindern zweifelhafte Vorbilder vorzusetzen“. Zum Thema Verantwortung sagte Müller: Jeder habe im positiven wie im negativen Sinn eine Vorbildfunktion. Auf diese Art und Weise übe man Einfluss auf andere aus.

Unterm Strich lautet Müllers grundsätzlicher Rat, „mit anderen und nicht auf Kosten anderer Ziele zu erreichen“. Im selben Atemzug riet der Buchautor dazu, „wichtige Entscheidungen mit möglichst wenig Emotionen zu treffen“. Zu guter Letzt machte der Referent mit Blick nach vorne Mut: „Jeder Krise hört einmal auf.“

In seiner Einführung stellte der gastgebende Vorstandssprecher der VR-Bank, Albert Griebl, den Redner als „Europas führenden Kriminalpsychologen und bekanntesten Profiler“ vor. In der Tat war und ist Dr. Thomas Müller mit dem Bewältigen unzähliger Krisen befasst, darunter der Entführung von Natascha Kampusch, dem Amoklauf in Winnenden vor zehn Jahren oder Naturkatastrophen wie dem Tsunami in Südostasien vor 15 Jahren. Auch mit dem US-amerikanischen FBI pflegt der Tiroler engen Kontakt. Aktuell kümmert er sich um den Fünffach-Mord von Kitzbühel.

Bereits eingangs riet Bürgermeister Wolfgang Beißmann bei seinem Grußwort aus seiner politischen Erfahrung: „Man sollte sich Krisen nicht über den Kopf stülpen lassen.“ Zu den Zuhörern gehörten European Campus-Chef Prof. Horst Kunhardt, Hochschulkoordinator Georg Riedl sowie führende Vertreter mittelständischer Unternehmer. Dem Vortrag ging ein Empfang im Foyer voraus.

- Has

aus der Passauer Neue Presse vom Montag, 14. Oktober 2019